zum Gedenken
31.10.12 | Reformation

Wie eine getürmte Nonne Martin Luther erzog

Nonne, Ehefrau von Martin Luther
* 29. Januar 1499 in Lippendorf in Sachsen
† 20. Dezember 1552 in Torgau in Sachsen
Die ehemalige Zisterzienserin Katharina von Bora arbeitete als Modell für Cranach und machte Luther einen Heiratsantrag. Der Reformator, der selbstständige Frauen nicht mochte, ließ sich überzeugen.

Von Ulli Kulke

Katharina von Bora wurde wahrscheinlich am 29. Januar 1499 auf Gut Lippendorf bei Leipzig als Tochter eines verarmten Adligen geboren. Ihr Vater schickte sie, durch den frühen Tod der Mutter, 1504 zur Erziehung in das Brehnaer Benediktinerinnenkloster. 1508 trat sie in das Kloster Nimbschen bei Grimma ein, wo sie bereits 1515 das Gelübde ablegte und Nonne wurde. Als Ordensschwester las sie die ersten Schriften des Reformators Martin Luther, der auch das Klosterleben kritisch sah. Gemeinsam mit anderen Nonnen beschloss sie aus das Kloster zu verlassen.

Die hohen Mauern, Stacheldraht und Alarmanlage fehlten, auch die Schusswaffen der Wachleute, ansonsten war das Anwesen organisiert wie ein modernes Gefängnis. Ständiges Ausgangsverbot, Sprechverbot, spartanisches Leben, Gespräche mit Besuchern nur unter Aufsicht durch vergitterte Fenster, streng kontrollierter Postverkehr mit der Außenwelt.

Diese Welt zu verlassen hatte sich in der Nacht vom 4. auf den 5. April 1523 die 24-jährige Katharina von Bora aufgemacht, gemeinsam mit acht Leidensgenossinnen. Schwarz waren sie gekleidet, als sie durch den gepflegten Garten, dann über die Feldmark schlichen. Sie alle waren Nonnen, von ihren Familien vor Jahren, noch im Kindesalter, im besonders streng geführten Zisterzienserinnenkloster Nimbschen in der Nähe von Leipzig abgegeben. "Entsorgt", um Kostgänger loszuwerden, auch als Akt des Ablasses.

Die Klosterflucht barg immense Risiken. Nicht nur für die Frauen, die, hätte man sie ergriffen, aus strenger Klosterklausur in regelrechte Kerkerhaft gekommen wären. Mehr noch für diejenigen, die im Hintergrund alles organisiert hatten. Auf Fluchthilfe für Nonnen, als "Entführung" bezeichnet, hatte Herzog Georg, Herrscher im albertinischen Sachsen, die Todesstrafe festgesetzt. Dennoch hatten drei Männer aus Torgau, darunter der Pfarrer, einen Planwagen organisiert. Mit ihm gelangten die Nonnen in die Elbestadt im Reich Friedrichs des Weisen, Kurfürst von Sachsen, wo sie unbehelligt waren, schließlich nach Wittenberg.

Wittenberg ist überfüllt von Nonnen

Martin Luther musste nun für die Nonnen sorgen und ihnen Ernährer, d. h. Ehemänner, vermitteln. Luther war recht erfolgreich, aber Katharina blieb übrig. Sie war zwar einem Theologiestudenten aus begütertem Nürnberger Patriziergeschlecht verlobt, doch als dessen Vater von der anstehenden Heirat mit einer entlaufenen Nonne erfuhr, rief er seinen Sohn nach Hause zurück. Als Luther darüber klagte, erwiderte Katharina ihm, dass sie - wenn überhaupt - sich nur vorstellen könne, seine Frau zu werden. Luther nahm den Vorschlag an - verblüfft, wie er später gestand. Die beiden heirateten am 13. Juni 1525, in dem Jahr, in dem der Bauernkrieg tobte. Luthers engster Vertrauter Philipp Melanchthon war entsetzt: wegen der als unschicklich empfundenen Zeit - immerhin wurden die Bauern zu Tausenden getötet, aber auch wegen der Wahl Luthers - Katharina war ihm zu stolz und zu eigensinnig. Die katholischen Gegner Luthers verfassten zotige Flugblätter über den Mönch und die „entlaufene” Nonne. Erasmus von Rotterdam dagegen lobte: „Luther fängt jetzt an, milder zu werden, und wütet nicht mehr so mit der Schreibfeder; nichts ist so wild, dass es nicht beim Weibchen zahm würde.”

Wittenberg war da längst überfüllt von entflohenen Nonnen. Die protestantischen Geistlichen kümmerten sich darum, Ehemänner zu finden. Das war nicht einfach, die Frauen galten vielen als "Mönchshuren". Bald kam Katharina mit Martin Luther in Kontakt. Damit war sie in gewisser Weise am Ziel, hatten doch auch die Schriften des Protestanten, an die sie trotz allem im Kloster herangekommen war, sie zur Flucht verleitet. Schriften, in denen sich Luther gegen unsinnige Gelübde, gegen Keuschheit und weltfremde Selbstkasteiungen wandte, in denen er die Aufgabe der Frau als Mutter und nicht als Nonne umriss.

Luther, der längst über alle Landesgrenzen bekannt war und sich als "Ketzer" mit dem Papst angelegt hatte, kümmerte sich um Katharina. Er brachte sie in der Familie des befreundeten Künstlers Lucas Cranach unter. Sie wurde Modell eines seiner berühmtesten Bilder. Die Chancen, sie unter die Haube zu kriegen, beurteilte Luther skeptisch. Zum einen fand er sie nicht besonders hübsch. Zum zweiten: "Es wird schwer sein, sie unterzubringen, weil sie recht hoffärtig ist."

Katharina, "Käthe", wie er sie bald nannte, hatte einen eigenen Willen und sprach ihn auch aus. Luther aber hatte eine eigene Meinung über solche Frauen: "Wenn Weiber wohlberedt sind, das ist an ihnen nicht zu loben; es steht ihnen bass an, dass sie stammeln und nicht wollen reden können. Das zieret sie viel besser." Die Frau solle sich dem Manne unterordnen, war die Meinung des Mannes, der zwar gegen die kirchlichen Größen zu Felde zog, autoritären Gedanken aber nicht abhold war.

Im Stile einer Managerin

Es kam etwas anders. Es fing schon damit an, dass Katharina, nach zwei vergeblichen Versuchen, sie zu verheiraten, schließlich von sich aus an Luther einen Heiratsantrag richtete – und Luther darauf auch einging. Zeit war es, dass er, der die Ehe als gottgewollt bezeichnete, auch selbst heiratete. Gleich nach der Hochzeit erzählte er Freunden noch von seiner eher verhaltenen Zuneigung, später dann sprach er von großer, inniger Liebe. Angeblich war Luther bei allen sechs Niederkünften seiner Frau in ihrer Nähe.

Katharina brachte erst einmal Ordnung in Luthers Leben im ehemaligen Augustinerkloster. Luther gestand, dass er über ein Jahr lang seine Strohmatte im Schlafzimmer nicht mehr gewechselt und aufgeschüttelt hatte. Obwohl Luther ein gutes Einkommen als Theologieprofessor erhielt, hatte er nie Geld, denn täglich kamen Bettler und Hilfesuchende und er gab mit freien Händen. Oft musste Katharina die beiden Kelche, welche sie zur Hochzeit vom Kurfürsten geschenkt bekommen hatten, im Pfandhaus einlösen, um Bargeld zu haben.

Katharina übernahm das Regiment über Haus und Hof, Ställe und Zimmer, Bankkonten und Schuldentilgung. Sie ließ das Haus ausbessern und frisch anstreichen, machte aus dem Mönchsfriedhof im Kloster einen Kräutergarten, verwandelte das Erdgeschoss in einen Schweinestall, ließ das Backhaus herrichten. Sie drängte Luther dazu, den angrenzenden Garten mitsamt Bach und Fischteich zu kaufen. Der Teich wurde 1533 zum ersten Mal abgefischt, Luther konnte zwischen mehreren Fischsorten wählen und war nun mit dem Kauf ausgesöhnt. Da auf dem alten Kloster ein Braurecht lag, begann Katharina Bier zu brauen. Luther liebte es als Nachttrunk so sehr, dass er - als er einmal monatelang in der Coburg weilte - schrieb, sie möge ihm doch ein Fässchen davon zukommen lassen. Luther kaufte auf ihre Veranlassung weitere Gärten und Güter, auf denen sie Viehzucht und Obstanbau betrieb. 1544 auch einen Weinberg, schließlich einen Hopfengarten. Scherzhaft nannte er seine Frau ob ihrer Begabung zur Verwalterin „Herr Käthe”. Ohne Katharina von Bora wäre der Reformator wohl im Chaos des Alltags versunken und die lutherische Reformation nicht vorangekommen. Ebenso führte sie ein Hospiz, in dem sie mit anderen Frauen Kranke pflegte. Für manche Zeitgenossen war Katharina die „Xanthippe der Reformation”, für andere die Lichtgestalt im Hause Luthers, Vorbild für Generationen von evangelischen Pfarrfrauen.

Die Luthers bekamen sechs eigene Kinder, dazu kamen elf, die sie aus der verarmten oder verwitweten Verwandtschaft aufnahmen, außerdem Knechte und Mägde, Gäste und Studenten - denn von einem Professor wurde damals erwartet, dass er eine eigene „Burse” hatte. Bald war jedes Zimmer im Kloster bewohnt, viele Menschen mussten versorgt und verköstigt werden, durchschnittlich 40 Personen saßen täglich am Tisch in Luthers Haus. Katharina organisierte alles und trieb auch das Geld ein, dabei war sie unerbittlich und oft mehr als besorgt über die großzügige Freigebigkeit ihres Mannes, der nur zu leicht über die große Güte und Freigebigkeit des Himmels zu reden pflegte. Katharina stellte ihn oft zur Rede, er machte dann in seinen Tischreden deftigste Anmerkungen zum Wesen der Frau: So „haben die Weiber noch eine schärfere Waffe als die Zunge, nämlich die Tränen. Was sie mit Reden nicht erreichen könnten, erlangten sie mit Weinen.”

Von Katharina ist nur ein einziger persönlicher Brief erhalten geblieben. Aber Luthers Briefe an sie sind erhalten und zeigen das Bild einer treu sorgenden Mutter. Neben der Verwalterin wird eine Frau sichtbar, die sich ihrer Kinder annimmt, sich um Bildung und Ausbildung bis zum Studienplatz kümmert und mit viel Wärme die eigene Familie pflegt. Ein besonders schwer empfundener Schicksalsschlag war der Tod von Tochter Lenchen. Abends, wenn Luther am Schreibtisch seiner unaufgeräumten Studierstube arbeitete, saß sie neben ihm, ihren Spinnstock in Bewegung, berichtete aus Familie und Stadt, und besprach, was er schrieb.

Nach Luthers Tod

1542, vier Jahre vor seinem Tod, schrieb Luther sein Testament; eine Witwe konnte rechtlich nicht selbständig auftreten, deshalb bestimmte er Melanchthon und andere Freunde zum Vormund für Katharina und seine Kinder. Nach Luthers Tod erbte Katharina zwar das gemeinsame Vermögen, aber die Pest und der Schmalkaldische Krieg verwüsteten Wittenberg und ihre Besitztümer. Sie musste mehrmals Wittenberg verlassen um sich zu retten, und sie musste Schulden machen, um die Landwirtschaft wieder aufzubauen. Verwandte und Nachbarn erhoben Ansprüche - Katharina führte einige Prozesse, um ihren Besitz zu retten. Auf der Flucht vor Pest und Krieg reisten sie und ihre Kinder im Lande umher, immer weniger Freunde nahmen sie auf. Das Schwarze Kloster musste sie verkaufen, Geldgeschenke des Königs von Dänemark halfen beim Kampf ums Überleben. Die Freunde Luthers ließen sie im Stich, andere verhöhnten sie bereits zu Lebzeiten, doch sie kämpfte unverdrossen für ihr Recht und die Zukunft ihrer Kinder.

Auf einer erneuten Flucht vor der Pest fuhr Katharina 1552 nach Torgau. Als die Pferde scheuten, sprang sie, um ihre Kinder zu schützen, vom Wagen, stürzte in einen Wassergraben und zog sich eine Lähmung und eine Erkältung zu, von der sie sich nicht mehr erholte. Katharina starb am 20. Dezember an den Folgen. Bestattet wurde sie in der Torgauer Marienkirche, unter großer Anteilnahme der lutherischen Freunde, die in den letzten Jahren ihres Lebens nichts mehr von ihr hatten wissen wollen.

Ihr Sterbehaus in Torgau ist heute Museum, ihr Grabstein ist in der Stadtkirche St. Marien erhalten.

Quellen:
Heiligenlexikon
Die Welt

© infos-sachsen / letzte Änderung: - 19.01.2023 - 13:45